Erforschung der Bevölkerungsgeschichte beim Wandel von Jäger-Sammler- zu Bauerngesellschaften

josef

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#1
Forscher studierten Bevölkerungsgeschichte
Ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung (Danube Private University in Krems) studierte genetische Bevölkerungsgeschichte Europas beim Wandel von Jäger-Sammler- zu Bauerngesellschaften.
Als die ersten Bauernvölker in der Jungsteinzeit aus Nahost nach Europa kamen, verdrängten sie teils die hiesigen Jäger und Sammler. Doch sie vermischten sich auch mit ihnen - viel mehr als bisher angenommen, berichtet ein Wissenschafterteam mit österreichischer Beteiligung. In fruchtbaren Ebenen passierte das aber später, als im kargen Bergland, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.


Danube Private University

Bevölkerungsentwicklung wurde nachgestellt
Ein Team um Mark Lipson und David Reich von der Harvard Medical School in Boston (USA) untesuchte das Erbgut von 180 menschlichen Knochenfunden aus der Jungsteinzeit und Kupferzeit, die im Karpatenbecken im heutigen Ungarn, dem mitteleuropäischen Tiefland in Deutschland und auf der Iberischen Halbinsel (Spanien) gefunden worden sind. Mit mathematischen Modellen stellten sie anschließend die Bevölkerungsentwicklung in diesen Regionen nach. An der Studie war auch Kurt W. Alt vom Zentrum für Natur- und Kulturgeschichte der Menschen der Danube Private University (DPU) in Krems beteiligt.

„Die flachen Gebiete mit besonders guten Böden wie in Mitteldeutschland oder in Westungarn waren wohl für die Bauern besonders interessant, die Jäger und Sammler konnten aber weniger damit anfangen“, erklärte Alt im Gespräch mit der Austria Presse Agentur. Als die Ackerbauern und Viehzüchter vor etwa 7.500 Jahren auftauchten, zog sich die ursprüngliche Bevölkerung zunächst aus Mitteleuropa nach Norddeutschland und Skandinavien zurück. Dort lebten diese Menschen noch 1.500 bis 2.000 Jahre, ohne ihre Lebensweise als Jäger und Sammler sowie Fischer aufgeben zu müssen. Dann aber kehrten ihre Nachkommen zurück.

Es gab zwar auch Auseinandersetzungen mit den Bauern, aber vor allem mischten sie sich mit ihnen, so Alt. Zunächst nur spärlich, fanden sich mit der Zeit immer mehr Spuren des Erbguts der früheren Jäger und Sammler bei den aus dem Südosten eingewanderten, sesshaft gewordenen Menschen.


K.W. Alt
Das Forscherteam bei Ausgrabungen in Spanien

Auf der iberischen Halbinsel ging der Kontakt zwischen den Jägern und den Bauern aber schneller von Statten, sagte Alt: „Dort ist es viel karger und gebirgiger, und es gibt nur ein paar Küstenstreifen und das Ebrotal, wo man sehr gut bäuerlich werken kann“. Die geografischen Umstände begünstigten Berührungsflächen und eine schnelle Durchmischung. Ähnliches geschah im hügeligen Osten Ungarns.

Wanderungsbewegungen wurden nachgezeichnet
Die Jäger- und Sammler-Völker sowie die Bauern lebten in manchen Gebieten für längere Zeit nahe beieinander, so die Forscher. Freilich mussten die Bauern vor allem in kargen Gebieten auch noch auf die Jagd gehen, um ihren Bedarf an Nahrungsmitteln und Fell für Ausrüstung und Kleidung komplett zu decken. Es gab aber durch das rasche Bevölkerungswachstum dieser Zeit vermutlich bald zu wenig Tiere für ein reines Jäger- und Sammler-Dasein, und die Jagd musste wohl recht früh reglementiert werden, meint Alt. Als die ersten Bauern nach Europa kamen, gab es dort höchstens eine Million Menschen, am Anfang der Bronzezeit rund 3.000 Jahre später waren es schon 15 bis 20 Millionen.

Die Forscher konnten auch die Wanderungsbewegungen nachzeichnen: Die Bevölkerungen im westlichen Teil des Karpatenbeckens und Deutschlands ähneln einander genetisch so sehr, dass man die Steinzeitbauern aus Ungarn als Ahnen jener in Mitteleuropa bezeichnen könne, so Alt.

Die Menschen sind demnach vom Nahen Osten über die Balkanroute ins heutige Ungarn gewandert und kamen über Österreich nach Deutschland. „Natürlich sind immer auch welche von diesem Korridor abgezweigt und haben sich zum Beispiel in Österreich oder Tschechien niedergelassen“, sagte er. Die Iberische Halbinsel wurde hingegen aus dem Süden über die Mittelmeerroute über Italien und Südfrankreich besiedelt, vielleicht auch aus Nordafrika.

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Publiziert am 09.11.2017

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http://noe.orf.at/news/stories/2876875/
 

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#2
Jungsteinzeitbauern: sesshaft, aber mobil
Die Jungsteinzeitbauern in Mitteleuropa waren sesshafte Menschen, die Getreide anbauten und in fixen Siedlungen lebten. Sie waren aber recht mobil, berichtet der Anthropologe Kurt W. Alt von der Danube Private University Krems mit Kollegen im Fachjournal „Plos One“.
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Oft waren in den Siedlungen die dort lebenden Männer oder Frauen nicht lokal aufgewachsen, was etwa auf rege Heiratsmobilität und wirtschaftlichen Austausch schließen lässt, so die Forscher. Ein Team um Alt, der am Zentrum Natur- und Kulturgeschichte des Menschen der Danube Private University (DPU) forscht, und Margaux Depaermentier von der Universität Basel (Schweiz) untersuchte 718 menschliche Zahnschmelzproben aus 55 Fundstellen im Karpatenbecken. Diese stammten aus der Jungsteinzeit und der darauffolgenden Kupferzeit aus dem Zeitraum von 8.000 bis 6.000 Jahre vor heute.
Kurt W. Alt/Danube Private University
Das Forscherteam untersuchte 718 menschliche Zahnschmelzproben aus der Jungsteinzeit wie etwa aus diesem Gräberfeld aus Ungarn, auch das Bild oben zeigt eine der 55 Fundstellen

Die Zusammensetzung von Strontium- und Sauerstoff-Isotopen (Isotopen sind Varianten dieser Elemente mit unterschiedlichem Gewicht, Anm.) zeigte den Forschern, ob die untersuchten Personen in der Gegend, wo sie begraben wurden, auch ihre Kindheit verbracht hatten, das heißt, ob sie dort geboren wurden oder erst später eingewandert sind. Der Zahnschmelz verändert sich nämlich nach seiner Bildung in der Kindheit nicht mehr und speichert somit das Signal des kindlichen Herkunftsortes.

Wer zog nach der Heirat zu wem? Die Frau zum Mann?
In den unterschiedlichen Kulturgruppen, denen diese Menschen angehört hatten, gab es nahezu überall kleinräumige und großräumige Mobilität – in manchen mehr, in manchen weniger, so die Forscher gegenüber der Austria Presse Agentur. Teils zeigten eher die Männer ein lokales Isotopensignal, die Frauen aber nicht. In diesem Fall sind möglicherweise die Frauen nach einer „Heirat“ stets in die Siedlung der Männer gezogen, erklärte Depaermentier: „Man spricht dann von Patrilokalität, das heißt, man wohnt am Wohnort des Mannes.“

Kurt W. Alt/Danube Private University
Von einem Zahn wurden 20 Milligramm Zahnschmelz für die Analysen gewonnen – Zahnschmelz, der über Siedlungsgewohnheiten in der Jungsteinzeit Auskunft gibt

Dies konnten die Forscher in den Gruppen der Starčevo-Kultur, der „transdanubischen Linearbandkeramik“, der Vinča-, Lengyel-, und der Balaton-Lasinja-Kultur nachweisen. Bei der Sopot- und Esztár-Kultur hingegen hatten umgekehrt die Frauen meist lokale Isotopensignale und die Männer eine fremde Herkunft. Hier wechselten wohl die Männer traditionell in die Siedlungen der Frauen, dies nennt man Matrilokalität.

Es gab keine typischen Unterschiede bei den Gräbern und Grabbeigaben für bei Einheimischen und „Auswärtigen“. Das zeigt, dass letztere ganz normal in die damaligen Gesellschaften integriert wurden und bei der Bestattung sozial gleichgestellt waren, so Kurt W. Alt.

Internationales Forschungsprojekt seit zehn Jahren
Der 72-jährige Wissenschafter gilt als einer der renommiertesten Experten für Dental-Anthropologie. „Dieses Projekt war mein bisher größtes, was die Höhe der finanziellen Fördermittel betrifft“, umriss Alt im Gespräch mit noe.ORF.at den Umfang der Studie. Die Arbeiten daran begannen vor zehn Jahren. Für 2021 kündigte Kurt W. Alt die Publikation von Forschungsergebnissen über das Ernährungsverhalten von Menschen aus der Jungsteinzeit an.
09.12.2020, red, noe.ORF.at/Agenturen

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Jungsteinzeitbauern: sesshaft, aber mobil
 

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#3
In den ältesten Städten Europas aß man vor allem Erbsen
Eine neue Studie zeigt, dass man in den prähistorischen Megasiedlungen in der heutigen Ukraine vor allem durch Hülsenfrüchte statt Fleisch an Eiweiß kam

So könnte es in den bäuerlich geprägten Megasiedlungen um 4000 vor Christus ausgesehen haben.
Susanne Beyer, Universität Kiel

Denkt man an urzeitliche Städte, so fällt einem vermutlich als Erstes das Zweistromland Mesopotamien ein oder die beeindruckenden Monolithen von Göbekli Tepe in der heutigen Türkei, die schon vor rund 10.000 Jahren errichtet wurden. Doch in prähistorischen Zeiten gab es auch in Europa Städte, die durch ihre Größe beeindruckten: Dort, wo heute Moldawien und die Ukraine liegen, hatten sich in der Kupferzeit vor etwa 6.000 Jahren Menschen angesiedelt. Zur sogenannten Trypillia-Kultur zählen die Städte mit einer Fläche von bis zu 320 Hektar, in denen etwa 15.000 Personen zusammenlebten – die bis dahin größten Siedlungen der Welt, wie man heute vermutet.

Wie sich all diese Menschen ernährten, war lange Zeit nicht klar. Es war naheliegend, dass sie stark auf Landwirtschaft setzten, wenngleich die damaligen Techniken relativ eingeschränkt waren. Eine aktuelle Studie unter der Leitung der Universität Kiel mit Beteiligung von Forschenden aus Moldau und der Ukraine liefert neue Erkenntnisse über den Speiseplan der bäuerlichen Bevölkerung der Riesensiedlungen. Das Forschungsteam stellte fest: Vor allem aß man Hülsenfrüchte und Getreide, also vegetarisch bis vegan oder zumindest flexitarisch. Fleisch spielte eine nachrangige Rolle.

Fleisch für Feierlichkeiten
"Fast jeder und jede kennt wohl die Geschichten um die Comicfigur Popeye, den Seemann, der seine Stärke angeblich der großen Vorliebe für Spinat verdankte", heißt es in der Aussendung der Uni Kiel zur Studie. "Wie wir heute wissen, hat die Wissenschaft den Wert dieses Gemüses lange Zeit viel zu hoch eingeschätzt." Im Gegensatz dazu seien Erbsen wegen des hohen Proteingehalts für Menschen besonders vorteilhaft. Die Wissenschaft habe ihre Bedeutung jedoch lange unterschätzt. Auch im Kontext der Entwicklung des großen Gehirns von Menschen könnten Hülsenfrüchte und Knollen eine wichtige Rolle gespielt haben. Andere Fachleute schreiben aber auch Fleisch oder der Entwicklung des Kochens eine wichtige Rolle zu.


Die Ackerbäuerinnen und Ackerbauern der Megasiedlungen im Nordwesten des Schwarzen Meers konnten der Studie zufolge mehr oder minder auf Fleisch verzichten: Es lieferte mit etwa zehn Prozent einen geringeren Anteil als andere Bestandteile des Nahrungsnetzes. Den Großteil machten mit bis zu 46 Prozent Hülsenfrüchte aus, gefolgt von Getreide. Für wichtige Aminosäuren war dadurch gesorgt. Der Verzehr von Fleisch spielte womöglich aber eine Rolle für den sozialen Zusammenhalt im Rahmen besonderer Feierlichkeiten.


Die Menschen in der Megasiedlung Maidanetske nahmen im Alltag vor allem Hülsenfrüchte und Getreide zu sich, Fleisch eher selten.
Dr. Frank Schlütz/Carsten Reckweg, Uni Kiel

Zu diesen Ergebnissen kam das Forschungsteam nach der zehnjährigen Analyse von hunderten Proben, unter anderem von Tier- und Menschenknochen. "Diese Daten haben wir dann ganz gezielt durch Isotopenmessungen an verkohlten Erbsen und Getreidekörnern aus Bodenproben verschiedener Trypillia-Siedlungen ergänzt", sagt Archäobotanikerin Wiebke Kirleis von der Universität Kiel, die an der Studie beteiligt war. Die Isotope der Elemente Kohlenstoff und Stickstoff lieferten Hinweise auf die Ernährung von Mensch und Tier, aber auch auf die Düngung der Äcker und die Haltung der Nutztiere.

Clevere Vieh- und Landwirtschaft
"Die Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner der Megasiedlungen beruhte auf einem äußerst ausgeklügelten Nahrungs- und Weidemanagement", sagt Studienautor und Paläoökologe Frank Schlütz. Der Großteil der Rinder und Schafe sei auf eingezäunten Weiden in der Nähe der Wohnhäuser gehalten worden, vor allem als Produzenten von Dünger. Ihr Kot konnte so gut eingesammelt werden und verhalf insbesondere den Erbsenpflanzen zu verbessertem Wachstum. Andersherum konnten die Tiere mit Erbsenstroh gefüttert werden.

Die enge Verzahnung von Pflanzenbau und Viehhaltung sei es wohl auch gewesen, die eine ausreichende und gesunde Ernährung für so viele Menschen ermöglichte. "Dabei konnte auf die arbeitsintensive und ressourcenzehrende Produktion von Fleisch weitgehend verzichtet werden", heißt es in der Aussendung.


Die Megasiedlung Maidanetske befindet sich heute auf dem Gebiet der Ukraine. Die Durchleuchtung des Erdbodens zeigt, wo früher Wohnhäuser, Straßen und öffentliche Gebäude in konzentrischer Anordnung standen.
Institut für Ur- und Frühgeschichte, Uni Kiel

Es hatte ungefähr 600 Jahre gedauert, bis die in dieser Region angesiedelten Menschen anfingen, die immensen Siedlungen nach einem präzisen Plan anzulegen. Ihre Blütezeit hielt 500 Jahre an. Wie aus den archäologischen Grabungen abzuleiten ist, gab es in den Megasiedlungen eine Aufteilung in verschiedene Nachbarschaften. Gebäude und Plätze waren entlang einer Hauptstraße und um ein unbebautes Zentrum herum so angeordnet, dass die Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu gemeinschaftlich nutzbaren Teilen der Stadt hatten. In Versammlungshäusern kam die Bevölkerung zusammen und dürfte in Entscheidungsprozesse involviert gewesen sein.

Soziale Ungleichheit
Doch mit der Zeit wurden die Einwohnerinnen und Einwohner offenbar von Kommunikationsstrukturen ausgeschlossen und die Entscheidungen zentral von wenigen privilegierten Menschen getroffen. "Wie wir aus vorhergehenden Untersuchungen wissen, kam es infolge zunehmender sozialer Ungleichheit zu gesellschaftlichen Spannungen", sagt Archäologe Robert Hofmann, der ebenfalls an der Studie mitwirkte.

Auch wirtschaftliche und Umwelteinflüsse könnten zum Untergang der Gesellschaft beigetragen haben. "Die Menschen kehrten den Großsiedlungen den Rücken zu und entschieden sich wieder für ein Leben in kleineren Siedlungen." Ab dem Jahr 3000 vor unserer Zeitrechnung gibt es keine Spuren mehr von der Trypillia-Kultur.
(Julia Sica, 22.12.2023)
In den ältesten Städten Europas aß man vor allem Erbsen
 
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