Smith hält die Kür von Nihon Hidankyo aus mehreren Gründen für gelungen. Zum einen werde der Fokus wirklich auf die menschlichen Auswirkungen des Atomwaffengebrauchs gerichtet, zum anderen ein Schlaglicht auf die derzeitigen internationalen Beziehungen und Spannungen gerichtet, sagte der Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI der dpa.
Außerdem stünden die 80. Jahrestage der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki bevor. „Das bedeutet auch, dass wir es geschafft haben, seit fast 80 Jahren keine Atomwaffen einzusetzen“, so Smith. Gleichzeitig scheine das Tabu, nukleare Waffen nicht zu gebrauchen, mehr und mehr zu verschwinden, warnte der Friedensforscher unter anderem mit Blick auf russische Drohungen gegen den Westen.
Die Auswahl der aus Hiroshima- und Nagasaki-Überlebenden bestehenden Organisation habe ihn überrascht, sie sei aber eine „intelligente, gut informierte und umsichtige Wahl“, sagte Smith.
Prämierte weisen auf aktuelle Lage hin
„Ich denke, der Grund (für die Verleihung des Preises, Anm.) ist die heutige internationalen Lage", sagte unterdessen Terumi Tanaka, Mitbegründer von Nihon Hidankyo. „Mit dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine und dem Krieg im Nahen Osten ist das Risiko des Einsatzes von Atomwaffen meiner Meinung nach stark gestiegen, und ich persönlich habe die Vorahnung, dass in nicht allzu ferner Zukunft ein Atomkrieg ausbrechen wird“, so Tanaka weiter.
AP/Shuji Kajiyama
Masako Kudo von der NGO Nihon Hidankyo zeigte sich über die Prämierung glücklich
Guterres: Atomwaffen „eliminieren“
UNO-Generalsekretär Antonio Guterres appellierte an die Staats- und Regierungschefs der Welt, „Weitsicht“ zu zeigen und Atomwaffen zu „eliminieren“ „Es ist an der Zeit, dass die führenden Politiker der Welt so weitsichtig sind wie die Hibakusha und Atomwaffen als das betrachten, was sie sind: Maschinen des Todes, die weder Sicherheit noch Schutz oder Sicherheit bieten“, sagte Guterres in einer Erklärung und fuhr fort: „Der einzige Weg, die Bedrohung durch Atomwaffen zu beseitigen, ist, sie vollständig zu eliminieren“, so Guterres.
Auch der Friedensnobelpreisträger von 2017, die Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), gratulierte den diesjährigen Gewinnern. Es sei eine sehr wichtige und absolut verdiente Auszeichnung, teilte ICAN in Genf mit. Die Gefahr eines neuerlichen Einsatzes von Atomwaffen sei womöglich so groß wie nie.
Der Einsatz der Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki, die die Organisation gegründet haben, sei für die Verabschiedung und das Inkrafttreten des UNO-Vertrags über das Verbot von Atomwaffen (TPNW) 2021 entscheidend gewesen. ICAN war eine treibende Kraft hinter dem Vertrag. „Es ist wichtiger denn je, dass die Stimmen der Überlebenden und ihre dringenden Forderungen nach Maßnahmen gehört und befolgt werden“, so ICAN.
Organisation wurde 1956 gegründet
Nihon Hidankyo wurde 1956 von Hibakusha gegründet, Opfern des US-Atomwaffenangriffs auf die japanischen Städte im August 1945. Sie setzt sich für eine bessere Unterstützung der Opfer der Atombombenangriffe durch die japanische Regierung ein. Weiters arbeitet Nihon Hidankyo für die internationale nukleare Abrüstung.
Die Organisation werde für ihren Einsatz für eine atomwaffenfreie Welt ausgezeichnet, so der Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, der Sozialdemokrat Jörgen Watne Frydnes. Die von Hiroshima-Überlebenden getragene Basisbewegung habe gezeigt, „dass Atomwaffen nie wieder verwendet werden dürfen“, so Frydnes in der Begründung.
Vom Nobelkomitee hieß es, dass es angesichts der zahlreichen Konflikte weltweit wichtig sei, das „nukleare Tabu“ aufrecht zu halten. Die Bedrohung durch Atomwaffen betreffe alle, so das Komitee weiter. Man wolle „alle Überlebenden ehren, die sich trotz körperlicher Leiden und schmerzhafter Erinnerungen entschieden haben, ihre schweren Erfahrungen zu nutzen, um Hoffnung und Einsatz für den Frieden zu fördern“, so Frydnes.
Über 140.000 Tote in ersten Monaten nach Angriff
Am 6. August 1945 hatte ein Bomber der US-Armee eine Atombombe über Hiroshima abgeworfen. Unmittelbar danach und in den ersten Monaten nach dem Angriff starben etwa 140.000 Menschen, in den folgenden Jahren tötete die radioaktive Strahlung weitere 60.000 Menschen. Drei Tage nach dem Abwurf über Hiroshima wurden beim Abwurf einer zweiten US-Atombombe auf die japanische Stadt Nagasaki mehr als 70.000 weitere Menschen getötet.
AP
Die Atombombe auf Hiroshima im Jahr 1945 hinterließ Zerstörung in davor undenkbarem Ausmaß
Bis zur Gründung von Nihon Hidankyo lebten die Überlebenden der Atombombenabwürfe weitgehend im Stillen und hatten mit gesundheitlichen Problemen, Armut und sozialer Diskriminierung in Japan zu kämpfen. Sie wurden ermutigt, für ihre Rechte einzutreten, als die Anti-Atomkraft-Stimmung in der Öffentlichkeit in den 50er Jahren wieder aufflammte. Grund war ein US-Wasserstoffbombentest auf dem Bikini-Atoll auf den Marshallinseln im Jahr 1954, bei dem die örtliche Bevölkerung und die Besatzungsmitglieder eines japanischen Thunfischfängers radioaktivem Fallout ausgesetzt wurden.
11.10.2024, red, ORF.at/
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Links:
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