Döllersheim "die alte Heimat"

Bunker Ratte

Well-Known Member
#1
An einen wunderschönen Herbsttag vergangenen Sonntag, zog es mich wieder in das Waldviertel, nach Döllersheim um etwas Zeit im gedenken an die Geschichte des Ortes zu erinnern. Am 2.11 finden eine Gedenkfeier vom österreichischen Bundesheer statt, wo auch die St. Petreskirche ab 13Uhr geöffnet ist.

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Kirche und Friedhof Döllersheim sind Gedenkstätten welche an das nationalsozialistische Unrecht erinnern und das Andenken an die Opfer wahrt. Etwa 7.000 Menschen in 42 Dörfern mussten ihre Häuser und Höfe verlassen. Der Grund: Die deutsche Wehrmacht plante, im Döllersheimer Ländchen, einem Landstrich zwischen Zwettl, Horn und Allentsteig, einen Truppenübungsplatz zu errichten.
Den Verantwortlichen der deutschen Wehrmacht waren die bisher vom österreichischen Bundesheer benutzten Truppenübungsplätze viel zu klein. Abgeholfen wurde diesem Mangel durch die Anlage des Truppenübungsplatzes Döllersheim im niederösterreichischen Waldviertel um den Truppenübungsplatz Döllersheim errichten zu können, war die Aussiedlung der Bevölkerung bis zum 1. April 1940 vorgesehen; dieser Termin wurde jedoch zweimal verschoben bis zum 31. Oktober 1941.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es kurz Hoffnung, dass die Menschen in ihre Dörfer zurückkehren können. Doch bis 1955 war das Areal unter sowjetischer Verwaltung, 1957 übernahm es – in verkleinerter Form – das Österreichische Bundesheer. Seit 1981 befinden sich die ehemalige Pfarrkirche von Döllersheim, der Friedhof und das Spital nicht mehr im militärischen Sperrgebiet und können besucht werden. Die Kirche erhielt am 13. September 1986 durch Bischof Franz Žak die einfache kirchliche Weihe. Als bemerkenswerte Bauwerke des früher eigenständigen Marktes Döllersheim werden von der Österreichischen Kunsttopographie die Pfarrkirche zu den heiligen Petrus und Paulus, (Friedenskirche),das Bürgerspital und der 1903 abgebrochene und als Schotter für den Straßenbau verwendete Galgen genannt.
Döllersheim ist seit dem 1. Jänner 1964 eine Katastralgemeinde von Pölla in Niederösterreich mit einer Grundfläche von 548,06 Hektar.
Quelle: Döllersheim Mein Bezirk

Ehem. St Peterskirche zu Döllersheim
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Ehem. Pfarrhof Döllersheim
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josef

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Mitarbeiter
#6
Danke Michi für den Beitrag!
Dazu auch ein Buchtipp:

Müllner, Johannes:
Die entweihte Heimat. Ein Stück Österreich, das nur wenige kennen,
zwangsentsiedelt, verwahrlost, zerstört, gesperrt...
ISBN: 3950029400


Verein Information Waldviertel: Mit zahlreichen historischen Aufnahmen. Weit über 500 Abb., Geschichte, Zitate, Zeitzeugen...
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(Ob das 1998 erschienene Buch noch erhältlich ist, entzieht sich meiner Kenntnis...)

Weitere Links zum Themenkreis "Döllersheimer Ländchen":
Truppenübungsplatz Döllersheim-Allentsteig
Tüpl. Allentsteig (Döllersheim] - Oflag XVIIA Edelbach
Fehler in der Biografie des 1889 geborenen Diktators A. Hitler entdeckt
Feldflugplatz Döllersheim
Tüpl Allentsteig
 
#8
Es werden auch Führungen über Döllersheim angeboten, - auch in Kleinstgruppen, bzw. nur zu Zweit. Hier erfährt man jede Menge über diesen
traurigen Ort. Ich habe den Namen und Telefonnr. der Bezugsperson (darf ich diesen hier veröffentlichen)?
Und immer im Mai ich bin mir nicht sicher zu (Christihimmelfahrt?) veranstaltet das Bundesheer einen quasi Tag der offenen Tür - man nimmt auf
der Ladefläche von den Bundesheer LKWs Platz und dann gehts rein in den Tüpl, zu den verschiedensten Dorfruinen. Dabei erfährt man das Schicksal
und Leid der dazumaligen Bewohner und des Dorfes.
 

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#10
Wir waren am Samstag dort.
Ich fand die Geschichte schon immer sehr spannend, zumal der Stiefvater meiner Schwiegermutter dort noch als Kind gelebt hat und dann auch umgesiedelt wurde.
Wir haben am Friedhof auch etwas Ausschau nach Gräbern mit seinem Familiennamen gehalten, aber nichts gefunden, wobei die Inschriften teilweise auch nicht mehr lesbar sind.
Ich war allerdings sehr bewegt und beeindruckt von diesem Ort und seiner Geschichte. 20220115_135534.jpg
 

josef

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#12
Der Ort, den Hitler verschwinden ließ
In der Waldviertler Heimat seines Vaters ließ der NS-Diktator den größten Truppenübungsplatz des Deutschen Reichs errichten. 7.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen – und kehrten nie zurück
Döllersheim ist ein Ort in Klammern. Wer das kleine Dörfchen auf einer Landkarte sucht, findet es genau so – in Klammern gesetzt. Wer aber auf der L75 vom Ottensteiner Stausee in Richtung Allentsteig daran vorbeifährt, findet inmitten von Wald und Gestrüpp nichts außer Ruinen. Die Kirche ist noch da, abseits der Straße auf einem Hügel, aber die Spitze des Kirchturms fehlt. Von Pfarrhaus, Volksschule und einem kleinen Spital stehen nur mehr die Grundmauern. Am lebendigsten wirkt der Friedhof. Doch an die Toten hier erinnert sich kaum jemand. Vor mehr als achtzig Jahren wurden sie alleingelassen – als Döllersheim aufhörte zu existieren. Denn Döllersheim, das ist das südliche Tor zum Waldviertler Truppenübungsplatz Allentsteig. Seine Geschichte ist untrennbar mit der des Militärgeländes verbunden. Und der Truppenübungsplatz machte Döllersheim selbst zur Geschichte – und zu einer Quelle von Mythen, die sich um Adolf Hitlers Familiengeschichte ranken.


Im September 1942 schließt Bischof Michael Memelauer die Döllersheimer Pfarrkirche. Es ist das Ende der Aussiedlung.
Foto: Michael Windisch

Zeitsprung in das Jahr 1938: Es sind erst wenige Monate vergangen, seitdem die Nationalsozialisten in Österreich die Macht übernommen haben. Die militärischen Expansionspläne des NS-Regimes sind aber bereits voll im Gange. Schon im Juni beauftragt daher die Wehrmacht die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft (DAG) damit, im Waldviertel Raum für einen Truppenübungsplatz zu schaffen. Das Areal zwischen Horn und Zwettl ist schnell gefunden. Doch es gibt ein Problem: 7.000 Menschen leben in dem hügeligen Landstrich, der mit 190 Quadratkilometern weit größer ist als Graz. Sie müssen weg, und das möglichst schnell. Zurück lassen sie ihre Höfe, Äcker und Wälder in 13 Gemeinden und 42 Ortschaften. Die größte und bedeutendste von ihnen ist Döllersheim. Ihren Namen soll das nationalsozialistische Großprojekt später tragen.

Ungeliebte Führer-Heimat
Um die Gründe, warum der Truppenübungsplatz genau hier errichtet wird, ranken sich schon bald Mythen. Für einen davon sorgen die Familienverhältnisse des "Führers" Adolf Hitler selbst. Seine Großmutter Anna Maria Hitler (geb. Schicklgruber) war Dienstmagd in Strones, das zum Döllersheimer Pfarrgebiet gehörte. Hitlers Vater kommt hier 1837 als uneheliches Kind zur Welt. Als Anna Maria Hitler 1847 stirbt, wird sie auf dem Friedhof von Döllersheim beerdigt. Ihr Grab lässt sich bald nicht mehr identifizieren – dennoch zieht der Friedhof in den späten 1930ern immer mehr Führer-Pilger an, ebenso wie Anna Maria Hitlers altes Wohnhaus in Strones.


Auf dem Döllersheimer Friedhof ist Adolf Hitlers Großmutter Anna Maria begraben. Wo genau, das weiß heute niemand mehr.
Foto: Michael Windisch

Der Kult um die von Adolf Hitler wenig geschätzte väterliche Familienlinie soll dem Diktator unangenehm gewesen sein. Deshalb habe er deren Geschichte mit der Errichtung des Truppenübungsplatzes buchstäblich auszulöschen versucht – so will es die Gerüchteküche schon bald. Wahrscheinlicher ist freilich, dass die periphere Lage des Waldviertels, die topografischen Bedingungen sowie die Nähe zur Franz-Josefs-Bahn den Ausschlag gaben.

Die Aussiedlung erfolgt in Etappen. Die ersten Bewohner müssen schon wenige Wochen nach ergangener Order Anfang August 1938 ihre Höfe räumen. Am 8. August wird auf dem Truppenübungsplatz bereits scharf geschossen – auch wenn die letzten Ortschaften erst im Herbst 1942 menschenleer sind. Wer früher dran ist, für den hat die DAG meist einen adäquaten Ersatz zum eigenen Hof parat, in Niederösterreich, der Steiermark, in Kärnten oder Tirol. Auch wenn die Trauer über den Abschied von der Heimat, den Nachbarn, den Verwandten groß ist, bleibt der offene Widerspruch daher gering. Je weiter der 1939 einsetzende Krieg fortschreitet, desto schwieriger gestaltet sich die Suche nach Land: Denn Grund und Boden gelten als Sicherheit in Krisenzeiten. Kaum ein Landwirt will mehr an die Ausgesiedelten verkaufen.

Wer bei der Aussiedlung ein geringerwertiges Grundstück übernimmt, bekommt den Differenzbetrag zwar auf ein Sperrkonto gutgeschrieben – sieht das Geld aber oftmals nicht mehr: Nach dem Ende des Krieges ist niemand mehr da, der es auszahlen könnte.

Als Kind in den Ruinen
Franz Lehr ist einer der vielen, die wegmüssen. Der heute 100-Jährige kann selbst nur mehr wenig von den Ereignissen erzählen. Seinen Sohn Bernhard (61) begleitet die Familiengeschichte aber bis heute. Die Familie kommt nach der Aussiedlung in Muckendorf in der Nähe von Tulln unter. Schon als Kind besucht er mit seinem Vater die Ruinen von dessen Elternhaus in Oberndorf im westlichen Teil des Truppenübungsplatzes, erzählt Lehr, der heute Obmann des von seinem Vater gegründeten Vereins "Freunde der Alten Heimat" ist.


Alljährlich zu Allerseelen gibt es eine Gedenkveranstaltung in Döllersheim.
Foto: Michael Windisch

Die Zeit nach dem Krieg – das ist für die Familie Lehr wie für viele andere die Zeit der großen Ungewissheit: Sie richten Rückstellungsanträge an das Kreisgericht Krems. In den ersten Nachkriegswochen zeigt sich das offizielle Österreich auch bereit, die Grundstücke zurückzugeben. Doch die sowjetische Besatzungsmacht legt die Hand auf den Übungsplatz. Nach dem Staatsvertrag herrscht neuerlich Ungewissheit. Dann aber wird klar: Die Republik Österreich will das Gelände weiter militärisch nutzen. Der heutige Truppenübungsplatz Allentsteig entsteht, etwas kleiner, aber immer noch mit rund 150 Quadratkilometer Größe.

"Mein Vater hat alle Papiere aufbehalten, für den Fall der Fälle. Aber unser Hof war in den 1960er-Jahren schon so verfallen, dass eine Rückabwicklung kaum mehr möglich gewesen wäre", erzählt Lehr. Andere hoffen inständig, auf die alten Gründe zurückzukehren – müssen aber bald einsehen, dass das nicht mehr geschehen wird: "Es war ein ohnmächtiges Akzeptieren der Situation." Erst in den 1990er-Jahren erhalten einige der Ausgesiedelten den Differenzbetrag, um den der Wert ihrer neuen Höfe den der alten unterboten hat, ausbezahlt. Im Fall von Familie Lehr sind das 70.000 Schilling.

Vergessen kann und will Familie Lehr aber nicht. "In seiner Altersdemenz glaubt mein Vater heute manchmal, in seinem Heimatort Oberndorf zu sein", erzählt Bernhard Lehr. Als er selbst Ende der 1970er vor der Wahl zwischen Wehr- und Zivildienst steht, gibt nicht zuletzt die Geschichte den Ausschlag zugunsten von Letzterem: "Ich wollte nie auf dem Gebiet mit einer Waffe schießen, von dem meine Familie stammt."

Erinnerung an die 7.000
Bernhard Lehr sieht seine Aufgabe darin, gegen das Vergessen zu arbeiten. Und doch kommen ihm manchmal Zweifel, ob es überhaupt angebracht ist, angesichts der Dimensionen heutiger Flüchtlingskatastrophen an die 7.000 Menschen aus dem Waldviertel zu erinnern. Er tut es trotzdem, organisiert etwa alljährlich zu Allerseelen eine Gedenkveranstaltung in Döllersheim. Und er zitiert Erich Fried, der in einem Gedicht die Erinnerung an die Verbrechen von gestern als Vorbeugung gegen die Verbrechen von morgen beschreibt: "Mein Teil ist es, dieses Gedenken aufrechtzuerhalten. Vielleicht ist es ja doch wichtig."
(Michael Windisch, 30.8.2022)
Der Ort, den Hitler verschwinden ließ
 

wolfsgeist

Well-Known Member
#13
Ich dachte immer außerhalb des TÜPLs findet man von den abgesiedelten Dörfern, nur die Ruinen von Döllersheim, aber nein, weit gefehlt:

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